Whistleblowing: Was kirchliche Institutionen wissen müssen

Das Hinweisgeberschutzgesetz gilt auch für Kirchen und kirchliche Einrichtungen. Wie setzt man es am besten um – und was ist mit dem Seelsorgegeheimnis?

Moritz Homann
Auf einen Blick

Kirchen und kirchliche Organisationen unterliegen nicht nur weltlichen Gesetzen, sondern verpflichten sich auch, ihr Handeln an christlichen Werten auszurichten. Daher liegt es in ihrem besonderen Interesse, internes Fehlverhalten, Korruption und Machtmissbrauch frühzeitig aufzudecken. In der Vergangenheit ist das nicht immer gut gelungen. Umso wichtiger ist es, mehr Transparenz zu schaffen. Mitarbeitende brauchen bessere Möglichkeiten, Verstöße zu melden, ohne dass sie Jobverlust, Mobbing oder andere negative Konsequenzen befürchten müssen. Das Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) verpflichtet Institutionen ab 50 Mitarbeitenden zur Einrichtung interne Meldesysteme.

A pastor standing in front of a church. In the background you can see a bible.

Was fordert das Hinweisgeberschutzgesetz?

Das HinSchG hat die EU-Whistleblower-Richtlinie in nationales Recht überführt. Es soll Beschäftigte schützen, die im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit Verstöße entdecken und diese offenlegen. Organisationen ab einer Größe von mindestens 50 Mitarbeitenden sind dazu verpflichtet, sichere Hinweisgebersysteme einzuführen. Sie müssen den Eingang einer Meldung innerhalb von sieben Tagen bestätigen und innerhalb von drei Monaten Rückmeldung geben, welche Maßnahmen sie ergriffen haben. Außerdem sind Repressalien gegen die hinweisgebende Person ausdrücklich verboten.  

Kirchen und kirchliche Einrichtungen ab 50 Beschäftigten sind betroffen

Im Anwendungsbereich des Gesetzesentwurfs werden die evangelische und katholische Kirche und ihre Kirchengemeinden explizit als Beschäftigungsgeber genannt. So sind zum Beispiel die Landeskirchen, Diözesen/Bistümer, Kirchenkreise und Dekanate als Körperschaft des öffentlichen Rechts betroffen. Außerdem gilt das Gesetz für juristische Personen des privaten Rechts, zum Beispiel eingetragene Vereine, GmbHs und Stiftungen. Auch Kirchen und sonstige Religionsgemeinschaften, die nach entsprechenden Bestimmungen des Landesrechts anerkannt oder als Vereine im Sinne des BGB konstituiert sind, müssen das HinSchG umsetzen. 

Nicht genau geregelt ist, ob ehrenamtliche Mitarbeiter als Beschäftigte im Sinne des Gesetzes zählen. Falls ja, würden auch kleinere kirchliche Einrichtungen womöglich die 50er-Schwelle überschreiten und müssten ein Hinweisgebersystem einführen. Die Formulierungen im Gesetzesentwurf lassen Interpretationsspielraum. Arbeitnehmende oder Mitarbeiter sind Ehrenamtliche eigentlich nicht, da sie keine Vergütungserwartung haben und auch nicht wirtschaftlich abhängig sind. Andererseits werden im Gesetzesentwurf laut § 3 Absatz 8 Nummer 4 nur ehrenamtliche Richter explizit ausgenommen. Daraus könnte man schließen, dass alle anderen Gruppen von Ehrenamtlichen als Beschäftigte gelten. 

Ist das Seelsorgegeheimnis berücksichtigt?

Nachschärfen dürfte der Gesetzgeber vermutlich auch noch in Bezug auf das Beicht- und Seelsorgegespräch. Dieses genießt im deutschen Recht besonderen Schutz. Informationen, die ein Geistlicher währenddessen erhält, muss er nicht vor Gericht preisgeben. Auch geplante Straftaten, von denen er in seiner Funktion als Seelsorger erfährt, muss er nicht anzeigen. Im Hinweisgeberschutzgesetz ist das Seelsorgegeheimnis bisher allerding noch nicht berücksichtigt. Lediglich Berufsgeheimnisträger wie Rechtsanwälte, Verteidiger, Patentanwälte, Notare, Ärzte oder Apotheker sind von der Offenlegung ausgenommen, so § 5 Absatz 2 des Entwurfs. Die evangelische und katholische Kirche fordern daher in einer gemeinsamen Stellungnahme, auch Geistliche in ihrer Eigenschaft als Seelsorger als Geheimnisträger aufzuführen. 

Können Kirchen eine zentrale Meldestelle einrichten?

Viele kirchliche Einrichtungen fragen sich, ob sie auch Ressourcen teilen und eine gemeinsame interne Hinweisgeberstelle einrichten können. Grundsätzlich besteht diese Möglichkeit für eingetragene Vereine und andere juristische Personen des Privatrechts. Für Landeskirchen, Diözesen/Bistümer, Kirchenkreise und Dekanate als Körperschaft des öffentlichen Rechts gibt es diese Möglichkeit nach aktuellem Gesetzestext nicht. Die evangelische und katholische Kirche kritisieren dies in ihrer gemeinsamen Stellungnahme. Sie bitten nachdrücklich darum, die öffentlich-rechtlichen Kirchen so zu behandeln wie Bund, Länder und Gemeinden. Diese dürfen Organisationseinheiten für die Einrichtung einer internen Meldestelle bilden. 

So gelingt die Einführung eines Hinweisgebersystems

Grundsätzlich gibt es verschiedene Möglichkeiten, ein Hinweisgebersystem umzusetzen, zum Beispiel über einen Briefkasten, eine telefonische Anlaufstelle, eine Ombudsperson oder eine digitale Plattform. Letztere hat den Vorteil, dass sie rund um die Uhr und von überall erreichbar ist. Außerdem ermöglicht eine digitale Lösung anonymes Melden – laut Whistleblowing Report 2021 die beliebteste Option bei Hinweisgebern. Am einfachsten gelingt die Einführung mit einer etablierten technischen Lösung und einem erfahrenen Dienstleister an der Seite. Wichtig sind zudem begleitende Kommunikationsmaßnahmen, um die Beschäftigten auf das neue System aufmerksam zu machen und sie zu ermutigen, Verstöße zu melden. Das Bistum Augsburg hat zum Beispiel schon eine Plattform etabliert, die vertrauliche Hinweise ermöglicht. Bereits 2019 hatte die Diözese Compliance-Regeln für ihre Verwaltung aufgestellt. Seit Dezember 2022 gelten diese nun auch für die rund 15.000 Beschäftigten in den Kirchengemeinden und Kitas. Damit ist das Bistum gut für das neue Hinweisgeberschutzgesetz aufgestellt. 

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Moritz Homann
Managing Director Corporate Compliance – EQS Group AG
Moritz Homann verantwortet beim Münchner Technologieanbieter EQS Group den Produktbereich Corporate Compliance. In dieser Funktion betreut er die strategische Entwicklung digitaler Workflow-​Lösungen, die auf die Bedürfnisse von Compliance-​Beauftragten auf der ganzen Welt zugeschnitten sind.