Wie das digitale Hinweisgebersystem der Infraserv Höchst ein wichtiger Teil des integrierten Managementsystems PRISMA wurde

Branche: Industriepark

Umsatz: 1 Milliarde €

Anzahl der Mitarbeiter: 2.700

Unternehmen am Standort: 90

Gründungsjahr: 1998

In unserer Fallstudie lesen Sie, warum Infraserv Höchst trotz anfänglicher Skepsis in der Führungsebene und im Betriebsrat das digitale Hinweisgebersystem EQS Integrity Line einführte und wie das System heute die Compliance-Verantwortlichen bei ihrer täglichen Arbeit unterstützt.

Infraserv Höchst betreibt den 460 Hektar grossen Industriepark Höchst, einen Standort für rund 90 Unternehmen aus den Bereichen Pharma, Biotechnologie, Basis- und Spezialitäten-Chemie, Pflanzenschutz, Lebensmittelzusatzstoffe und
Dienstleistungen und bewegt sich damit in einem hochregulierten Markt.

Seit 2018 setzt Infraserv Höchst auf ein digitales Hinweisgebersystem – als Teil des integrierten Managementsystems PRISMA. PRISMA erfüllt die Ausrichtung der Organisation auf unterschiedliche, teilweise konkurrierende Zielsysteme:

Das gesamte integrierte Managementsystem ist nach ISO 9001, 14001 und 5001 zertifiziert. Andere Anforderungen gelten nur für Teilbereiche des Unternehmens.
Beispielsweise benötigt der Betrieb regulierter Netze für Gas und Strom eine Zertifizierung des Informationssicherheitsmanagements.

Die Schritte zur erfolgreichen Einführung des digitalen Hinweisgebersystems

Einen wesentlichen Teil des integrierten Managementsystems bildet der Verhaltenskodex, der für alle Mitarbeiter der Infraserv-Gruppe bindend ist. Er ermutigt die Belegschaft unter anderem dazu, Compliance-Verstösse zu melden. Zudem regelt der Kodex, dass kein Mitarbeiter aufgrund seiner Hinweise Nachteile oder Repressalien erfahren darf.

Ein digitales Hinweisgebersystem galt im Unternehmen bis vor wenigen Jahren als unnötig, so waren sich jedenfalls die Geschäftsführung und der Betriebsrat einig. Sie befürchteten, dass ein anonymes Hinweisgebersystem eine Denunziationskultur fördere. Erst ein Compliance-Vorfall 2017 führte zum Umdenken: Führungskräfte hatten Mitarbeiter angewiesen, interne Kontrollen zu umgehen und somit gegen Vorschriften zu verstossen. Der Compliance-Verstoss fiel jedoch auf und wurde durch die Geschäftsführung umgehend unterbunden. Als Konsequenz schlugen Mitarbeiter aus dem betroffenen Bereich die Einführung eines digitalen Hinweisgebersystems vor – ein Vorstoss, der schliesslich auch die Geschäftsführung überzeugte.

Anschliessend entwickelte die Infraserv Höchst ein Einführungs- und Nutzungskonzept für das digitale, cloud-basierte Hinweisgebersystem EQS Integrity Line unter Berücksichtigung aller relevanten Stakeholder, darunter Personalabteilung, Datenschutzbeauftragter und Betriebsrat. Die Compliance-Abteilung bearbeitet alle eingehenden Hinweise, prüft den geschilderten Sachverhalt, führt bei Bedarf (anonymen) Dialog mit dem Hinweisgeber, bezieht wenn nötig weitere Ansprechpartner in ihre internen Untersuchungen ein und schliessen die Fälle ab. Nach Möglichkeit erhält der Hinweisgeber eine Rückmeldung über das Ergebnis und die daraus entstehenden Konsequenzen oder Massnahmen.

Das Hinweisgebersystem als fester Bestandteil der offenen Unternehmenskultur bei Infraserv Höchst

Infraserv Höchst stellt sein Hinweisgebersystem über einen offenen Link allen Website-Besuchern zur Verfügung. Somit können auch Externe mutmassliche Compliance-Verstösse ganz einfach mitteilen. Daher ist das System prinzipiell auch bereits dazu geeignet, die Anforderungen des neuen Lieferketten-Sorgfaltspflichtengesetzes (LkSG) nach einem Beschwerdeverfahren für Betroffene zu erfüllen.

Das System geniesst eine hohe Akzeptanz innerhalb des Unternehmens und bildet einen integralen Bestandteil des Compliance Management Systems. Das liegt vor allem an der grossen Unterstützung der Geschäftsführung, der es gelungen ist, die anfänglichen Vorbehalte unter Führungskräften, im mittleren Management und innerhalb des Betriebsrats mit starken Argumenten und einer offenen Kommunikation auszuräumen. Zentral war hier der Tone from the top: So erläuterte die Geschäftsführung, welche Verstösse über das System gemeldet werden sollen und welche nicht und machte ausserdem deutlich, dass es nicht darum geht, Mitarbeiter an den Pranger zu stellen, sondern Missstände in einem geschützten Rahmen melden zu können.

Mit zwei bis drei Hinweisen jährlich entspricht die Zahl, aber auch die Qualität der Meldungen, den Erwartungen. Etwa 50 Prozent der Hinweise führt zu Massnahmen, die anderen stellen sich bei der Untersuchung als unbegründet heraus. Bei manchen Hinweisen handelt es sich um Verdachtsäusserungen, die die Compliance-Abteilung jeweils überprüft und in Form einer Rückmeldung auch entkräften kann. Befürchtungen, das Hinweisgebersystem könnte als elektronisches Mobbing-Tool dienen, haben sich nicht bewahrheitet.

Das Hinweisgebersystem läuft stabil und anwenderfreundlich. Zudem überzeugt es durch geringen Aufwand in Administration und Betrieb. Die neue responsive Oberfläche eignet sich auch für einen mobilen Einsatz auf Smartphones und Tablets.

Infraserv Höchst ist davon überzeugt, mit dem aktuellen System für alle zukünftigen Regularien wie das Lieferketten-Sorgfaltspflichtengesetz oder das nationale Hinweisgeberschutzgesetz gerüstet zu sein und die damit einhergehenden rechtlichen Anforderungen mit wenigen Anpassungen zu erfüllen.

Vier Fragen an: Dr. Wolfram Schmidt

Dr. Wolfram Schmidt

Dr. Wolfram Schmidt

Chief Compliance Officer (CCO) bei Infraserv GmbH & Co. Höchst KG

Dr. Wolfram Schmidt ist seit 2011 Chief Compliance Officer bei Infraserv Höchst in Frankfurt am Main. Der Physiker ist bei der Betreibergesellschaft des Industrieparks Höchst unter anderem für das integrierte Managementsystem verantwortlich.

1. Wie haben die Mitarbeiter auf die Einführung des Systems reagiert?

So unterschiedlich, wie Menschen nun einmal sind: Als wir das Vorhaben in unserem Intranet, dem „Infranet“, vorstellten, bekamen wir zunächst einige skeptische Kommentare. Die Kommentarfunktion ist anonym und wird bei kritischen Themen gerne genutzt. Ob das Unternehmen jetzt alle Mitarbeiter unter Generalverdacht stellen wolle, fragten einige. Andere befürchteten, dass mit Hilfe des Hinweisgebersystems Material gesammelt werden solle, um missliebige Kollegen loszuwerden. Dann meldeten sich aber die Befürworter im Infranet: Jedes Unternehmen habe heute so ein System, das sei Teil einer offenen Unternehmenskultur. Es sei gut, dass die Geschäftsführung sich eindeutig positioniere. Tatsächlich brauchten wir in die Diskussion gar nicht einzugreifen. Am Ende überwog die Zustimmung in den geteilten Beiträgen.

2. Wie unterstützt EQS Integrity Line Ihre tägliche Arbeit als Compliance Officer?

Um ehrlich zu sein, macht mir das System nicht viel Arbeit, da es nicht so viele Hinweise gibt. Es ist ein wichtiger Hygienefaktor für unser Compliance Management System. Ausserdem haben wir natürlich einen Vorsprung, sobald die gesetzliche Anforderung kommt, weil alle erforderlichen technischen und organisatorischen Voraussetzungen, Erfahrung und Wissen schon vorhanden sind.

3. Wie stellen Sie sicher, dass jeder Mitarbeiter von der Existenz des Hinweisgebersystems weiss?

Wir haben über das Projekt im „insite“ berichtet, unserem Newsletter für Mitarbeiter. Das System ist sowohl über das unternehmensinterne Infranet als auch für Externe über unsere Unternehmenswebsite aufrufbar. Dort findet man auch die erforderlichen Erläuterungen zum System.

4. Wie gehen Sie mit missbräuchlichen, denunziatorischen Hinweisen um?

Ich habe mir vorgenommen, dass ich jeden Hinweis rein sachlich behandle, um zu vermeiden, dass innerhalb der Organisation spekuliert wird. Wir geben jedem Hinweisgeber innerhalb von wenigen Tagen Rückmeldung, dass der Hinweis eingegangen ist und anschliessend auch, was wir mit dem Hinweis gemacht haben. In diesem Fall wäre unsere Antwort: „Wir haben den Hinweis geprüft und den geschilderten Sachverhalt nicht bestätigen können. Daher wird der Fall abgeschlossen.“

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